Leben mit Ungewissheit

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Wir leben in ungewissen Zeiten: Ist der Klimawandel zu stoppen? Ist die weltweite Gewalt zu stoppen? Hat die Jugend eine Zukunft? Die Fragen lassen sich beliebig fortsetzen.

Warum ist mir das Thema wichtig?

Nicht nur die Menschheit lebt in Ungewissheit, sondern auch jeder Einzelne. Wir Menschen haben alle ähnliche Sorgen:

Ist das richtig, was ich mache, ist das gut? Kann ich meine Wünsche erfüllen, meine Bedürfnisse befriedigen? Finde ich Freunde, die mir guttun (und umgekehrt😉) und den „richtigen“ Lebenspartner? Schaffe ich meine Ausbildung, mein Berufsziel? Habe ich mich richtig entschieden? Habe ich mir den richtigen Beruf, die richtigen Ziele ausgesucht?

Ich habe Angst. Was ist, wenn ich einen Unfall erleide, wenn ich oder meine Liebsten krank werde, wenn sich mein/ihr Leben durch einen Schicksalsschlag von heut auf morgen verändert?

Die Sicherheit, nach der ich mich im Leben sehne, scheint es nicht zu geben – weder durch Vorsorgeuntersuchungen noch durch Versicherungen oder unverhofften Reichtum.

[Abschnitt vgl. i]

Was sind meine wichtigsten Erkenntnisse?

In den Jahrzehnten meines Lebens durfte ich spüren, dass es ein “Gesetz der Versorgung“ gibt (wie es der amerikanische Pfarrer Norman Vincent Peale einmal nannte), wenn ich einfach nur versuche, mein Bestes zu geben.

Mein (leider viel zu früh verstorbener) Freisinger Führungskräfte-Coach Jörg Radl hat es ähnlich formuliert: „Dem Gehenden baut sich der Weg.“

Für mich hilfreiche Wegweiser sind dabei:

  • Folge dabei Deinem Herzen – lebe deine Leidenschaften, es macht nichts, wenn Du mehrere hast und sie an manchen Tagen unvereinbar erscheinen.
  • Arbeite an etwas mit, was größer ist als Du. An etwas, was Du für sinnvoll hältst. Es macht nichts, wenn Du manchmal unsicher bist, Dein Bauchgefühl verrät Dir den Weg.
  • Entscheidend ist Deine Einstellung „Willst Du Passagier oder Pilot Deines Lebens sein?“, und die Taktik, mit der Du Deine Ziel- und Wertvorstellungen verfolgst.

Gestatte mir zu Punkt drei noch ein paar Worte: Du kannst im Leben nicht alles kontrollieren, aber Du kannst Balance spüren. Wie beispielsweise im Wasser: Du wirst die Wellen nicht stoppen können, aber Du kannst lernen auf ihnen zu surfen. Deswegen ist es wichtig zu vertrauen, dass sich dem Gehenden der Weg baut und zu wissen, dass viele Wege zum Ziel führen: Wenn jeder an den Zielen mitarbeitet, wo seine Stärken liegen, werden wir die Welt zurück in Balance bringen!

Denkanstöße für Kinder

Da viele Wege zum Ziel führen, kann ich meinem Sohn lediglich Tipps geben, die auf Erkenntnissen vieler kluger Leute basieren und die ich aufgrund eigener Erfahrung teile:

  • Kooperiere mit anderen. Nutze diese Super-Power des menschlichen Geschlechts, wie es unlängst unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann so schön formuliert hat. Dadurch bewahrheitet sich das afrikanische Sprichwort „Wenn viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“
  • Wenn Du in unsicheren Situationen nicht weißt, wie Du Dich verhalten sollst, orientiere Dich an bewährten Handlungsgrundsätzen: Ziele sollten verallgemeinerbar sein (denn alle Menschen/Lebewesen wollen sich wohlfühlen), überlege, ob Du mit Deiner Handlung jemanden Schaden zufügen könntest (auch folgenden Generationen).
  • Achte auf Deine Gesundheit, achte auf gute Beziehungen und persönliches Wachstum – das ist für Dein langfristiges Wohlbefinden wichtiger als die beispielsweise die Anhäufung von „Likes“ von Leuten, die Dich nicht kennen oder die Anhäufung materieller Dinge.

Dann wirst Du aufblühen und kannst mit Ungewissheit leben!


[i] Vgl. Kapitel 6 “Vertrauen ist aller Anfang – nur ein schöner Werbeslogan?” in Andreas Buske, One World – One Future – my Life, 2003

Über Zuversicht

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„Auch hinter einem wolkenverhangenen Himmel steckt eine strahlende Sonne“ habe ich mal auf einer Postkarte gelesen – welch treffendes Bild für Zuversicht.

Ich habe mir eine dreimonatige Pause gegönnt, um heute über etwas grundlegendes zu schreiben.

Ein Thema, das besonders auch die Wechselwirkungen im menschlichen Leben aufzeigt, denn ich bin davon überzeugt, dass alles irgendwie miteinander vernetzt ist, der Mensch/die Menschheit/die Natur ist ein lebendiger Organismus.

Warum ist mir das Thema wichtig?

Seinem Kind Zuversicht zu vermitteln ist elementar. Meinen Eltern, meinem Umfeld ist es gelungen mir ein „Grundvertrauen“ – als Christ bezeichne ich es als „Gottvertrauen“ – zu vermitteln, das möchte ich auch.

Wenn ich in der Zeitung lese „Oshada weinte manchmal vor Hunger, Udeni schickte ihn dann früh ins Bett.“[1], dann macht mich das persönlich betroffen, auch wenn das Schicksal im entfernten Sri Lanka spielt. Ähnliches gilt für menschliche Gewalt und Naturzerstörung nah und fern.

Ich bin Mensch und als solcher habe ich Mitgefühl. Ich kann

  • Wut empfinden – es nicht verhindern zu können;
  • Scham empfinden – in einer „goldenen“ Bubble zu leben;
  • Mutlosigkeit spüren – der Herausforderungen nicht gewachsen zu sein.

Ich kann mich aber auch fragen, wie ich meinen Beitrag zu einer lebenswerten Welt leisten kann, ich meiner Verantwortung gerecht werden kann.

Armut, Gewalt und Naturzerstörung sind meist menschengemacht. Die Welt hat kein Problem. Der Mensch hat ein/ist das Problem.

Ich halte mich nicht für „ferngesteuert“, sondern zurechnungsfähig. Oder wie es mein früherer Hochschullehrer Julian Nida-Rümelin ausdrückt „Der Mensch ist frei, rational und verantwortlich“.

Vielleicht bin ich manchmal fremdgesteuert, wenn ich meine Verantwortung abgebe, wenn organisationale Ziele mit meinen eigenen nicht deckungsgleich sind,… . Aber ich habe es selbst in der Hand Pilot oder Passagier meines Lebens sein zu wollen.


[1] DER SPIEGEL Nr. 12 16.3.2024, S. 46 „Dhanush und die Staatspleite“ von Stefan Schultz

Was bedeutet das für mich?

Drei Aspekte helfen mir, mit Zuversicht meine Verantwortung wahrzunehmen:

1. Beachtung des Pinguinprinzips

Eckhart von Hirschhausen hat es super auf YouTube erklärt: „Jeder hat Stärken und es ist so viel effizienter Stärken zu stärken, als an seinen Schwächen herumzudoktern.“ Wo liegen meine Stärken und nutze ich sie, um wirksam zu sein?

Exkurs: Einen guten Stärken Finder gibt es auf der Seite der University of Pennsylvania in zahlreichen Sprachen.

2. Orientierung an sinnvollen Handlungsmaximen und Zielen

Als Maßstab für die Sinnhaftigkeit kann beispielsweise der kategorische Imperativ von Immanuel Kant dienen, sprich die Überprüfung auf Verallgemeinerbarkeit für alle Menschen, beispielsweise

Da dies die (Selbst-)wirksamkeit entfaltet.

3. Kollaboration

„Wer allein arbeitet addiert, wer gemeinsam arbeitet multipliziert:“ Ich bin nicht allein.

Wir Menschen können kooperieren und an Aufgaben arbeiten, die größer sind als wir. „Viele kleine Schritte in die richtige Richtung führen zur gewünschten Veränderung.“  Kooperation, die “Superkraft des menschlichen Geschlechts“, wie es unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann mal so schön formuliert hat.

Denkanstöße für Kinder

Ich versuche deshalb meinen Sohn zu unterstützen, „spielerisch“ Vertrauen in sich selbst zu gewinnen:

  • Ihn Sportarten ausprobieren lassen => Neugierde wecken
  • Mit ihm Musik hören und Kunst anschauen => Schönheit spüren
  • Freundschaften fördern => Kraft von Beziehungen spüren
  • …          

Gemeinsame Unternehmungen, gemeinsam möglichst viel Zeit zu verbringen, ihn ernst nehmen, ihn zu respektieren ihn wertschätzend zu behandeln. Da sein, wenn er mich braucht.

Ihn vor allem bedingungslos zu lieben, seine Ängste ernst nehmen – darüber reden/zuhören und ihm vertrauen!

Gaubensvorstellungen

Nach dem ich in meinen bisherigen Blogbeiträgen verschiedene Themen und Disziplinen betrachtet habe, möchte ich heute von meinen persönlichen Glaubensvorstellungen erzählen und wie ich versuche, diese meinem Sohn zur Orientierung zu vermitteln.

Vor 20 Jahren habe ich meine Glaubensvorstellungen in meinem Buch “One World – One Future – My Life“ wie folgt beschrieben (Auszug aus Kapitel 5 meines 2003 erschienenen Buches):

Glaubensvorstellungen eines jungen Menschen

Ich bin gewiss kein Mensch, der jeden Sonntag in die Kirche geht und deren einen Gott als übergroßen Vater in Menschengestalt glaubt, der einen großen weißen Bart hat und irgendwo auf einer Wolke im Himmel wohnt. Der tagein, tagaus die Erde beobachtet und für Gerechtigkeit sorgt, indem es sind nun Fehler augenblicklich bestraft. Der die Erde in sechs Tagen und den Menschen aus einem Häufchen Erde erschaffen hat.

Nein, auch ich hatte Physik, Biologie, Erdkunde und Chemie in der Schule und weiß, dass ich mir das nicht so einfach machen darf.

Die Erde wurde nun einmal vor sehr langer Zeit geschrieben, als die Menschen noch ein ganz anderes Bild von der Erde hatten. Als eine „Ansammlung von Glaubensgeschichten“ weist sie durchaus auch Widersprüche auf, da die Menschen, die sich schrieben, bestimmte Dinge unterschiedlich empfunden haben.[1]

Aber wer daraus schließt, dass ich nicht an Gott glaube, weil ich nicht alle Bibelaussagen verstehe oder als wahre Tatsachen anziehe und nicht jeden Sonntag in die Kirche gehe, der irrt gewaltig.

Weder kann ich mir derzeit alles allein mit den Naturwissenschaften mit ihrer Evolutions- und Urknalltheorie erklären noch glaube ich, dass das jemals der Fall sein wird.

Oft scheint hier auch der Zufall eine große Rolle zu spielen? Was ist überhaupt Zufall? Stecken auch hinter ihm weitere, uns bislang verborgene Naturgesetze oder steht am Ende doch ein großer, alles wissender, alles könnender Gott hinter ihm, hinter den Gesetzen, hinter der Erde und hinter uns Lebewesen?

Warum sind die Gesetze so und nicht anders? Warum gibt es die Anomalie des Wassers? Warum setzt sich die Atmosphäre gerade so zusammen, dass auf der Erde eine erträgliche Temperatur für die Lebewesen Wesen herrscht? Warum gibt es zwischen den Elektronen und Protonen jedes einzelnen Atoms eine Energieminimum, welches auf diese Art die Atome zusammenhält? Warum so etwas wie leben? Weil es ihnen langweilig?

Manchmal stelle ich mir die Entstehung der Welt zuvor: Am Anfang war nichts, überhaupt nichts, wie wenn ich meine Augen schließen würde. Und in diesem nichts regierte Gott mit seinen Elementen und Gesetzen. Die Elemente waren noch unsichtbar und die Gesetze waren beziehungsweise sind ebenfalls unsichtbar.

Die Gesetze schufen aus den unsichtbaren Elementen so einzigartige sichtbare Dinge wie die Planeten, u.a. auch unsere Erde. Nun waren die Elemente teilweise sichtbar und weiter ging die Reise, Die Gesetze schufen auf der Erde aus den Elementen so faszinierende Dinge wie die Natur mit uns Menschen, und auch im Weltall geht diese Reise noch permanent weiter.

Aber vielleicht ist und war auch alles ganz anders. Vielleicht sind alle Erklärungsversuche nur momentan und in hundert Jahren gibt es wieder ganz neue Vorstellungen. Vielleicht sind wir ja auch nur ein ganz kleiner Teil der Schöpfung, der gar nicht in der Lage ist, sich mit seinem Gehirn alles erklären zu können.

Aber irgendetwas hat die Gesetze genau so werden lassen, wie sie sind und dadurch Leben ermöglicht. Irgendetwas lässt mich leben und entwickeln.

Irgendetwas scheint für mich hinter den Tieren, Pflanzen, den Menschen, den Wolken, den Gesetzen über Raum und Zeit, dem Zufall zu stecken, denn es ist alles so einzigartig faszinierend.

Wie aus einem winzig kleinen Sprössling ein über 80m hoher, mächtiger Baumriese werden kann oder aus einer kleinen Zelle ein über 30m langer Blauwal. Wie sich aus einer kleinen Knospe eine farbenprächtige Blüte entwickelt und ein Tonklumpen Pflanzenröhrenskelette enthalten kann, die unter dem Elektronenmikroskop so formvollendet aussehen, als hätte sie ein begnadeter Designer entworfen.

Und schließlich wir Menschen mit all unseren erstaunlichen Fertigkeiten, Gedanken und Ideen. Das Meisterwerk unserer Sprache, unsere Sinne, unser Gefallen an Musik, Kunst und Ästhetik, unser Immunsystem und vieles mehr. Irgendetwas hat dies alles sich entwickeln lassen.

Dieses Irgendetwas ist für mich wie ein „unsichtbarer Geist“, der hinter allem steht.

Er ist die Logik, die Herrlichkeit hinter dieser Welt. Herrscher über die Natur mit ihren Gesetzen, dem Zufall, dem Universum. Er steckt hinter allem Einfachen und Schlichten. Er alleine weiß, warum alles so und nicht anders ist. Er regiert, wir Menschen aber leben.

Ich nenne diesen unsichtbaren Geist Gott, er ist meine Vorstellung von Gott, auf diese Art und Weise kann ich ihn mir vorstellen.

Früher haben die Menschen der Sonne Opfer gebracht. Vor fünfhundert Jahren hieß es, die Erde sei eine Scheibe. Im Laufe der Zeit haben sich die Vorstellungen geändert, neues Wissen wurde gesammelt, Religionen haben sich verändert. Und auch in Zukunft wird sich sicherlich noch viel ändern. Auch meine Vorstellungen von Gott werden sich im Laufe der Zeit immer etwas verändern bzw. konkretisieren – aber es wird immer etwas geben, das ich als „Gott“ bezeichnen kann, denn ich spüre seine unendliche Liebe stets aufs Neue:

Wenn es mir schlecht geht und mich meine Mitmenschen an ihrer Lebensfreude teilhaben lassen und mir ein Lächeln schenken; wenn mir meine Mitmenschen in völlig unerwarteten Situationen helfen. Wenn meine Mitmenschen zu mir halten, auch wenn ich einen großen Fehler begangen habe; wenn sie mich trösten und mir Mut machen, wenn ich Sorgen habe, ja dann spüre ich Gottes Liebe.

Wenn mich ein Problem beunruhigt und ich durch Nachdenken eine Lösung, einen Weg finde, spüre ich, wie Gott mir dabei hilft. An der Freude, die ich in meinem Leben erfahre, wenn ich einfach nur nach meiner inneren Überzeugung lebe, spüre ich ihn.

Wenn wir Menschen uns nicht an der Angst, an den Fehlern, am Neid anderer „befriedigen“, sondern uns wirklich anstrengen, ein friedliches, begeisterndes Leben miteinander zu teilen, indem wir uns gegenseitig helfen, achten, respektieren und Freiheiten eingestehen, ja dann erlebe und spüre ich Gott, weil in diesen Momenten für mich das „Paradies auf Erden“ sichtbar wird.

Wenn wir unsere Umwelt schonen und erkennen, dass sie unser wertvollstes Gut ist und wir unseren Nachfahren nichts Herrlicheres hinterlassen können als eine intakte Natur und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, spüre ich ihn, weil wir dann zum Erhalt dieser einzigartigen Schöpfung beitragen.

Dieser „Geist“ lässt sich nicht anfassen, nicht sehen oder mathematisch beweisen, sondern lediglich erahnen, spüren, ja erleben.

Gott ist für mich derjenige, der mir Erfüllung, Liebe und Geborgenheit schenkt, wenn ich mein Leben nicht passiv an mir vorbeiziehen lasse, sondern am Alltag auf Erden „teilnehme“.

Denkanstöße für Kinder

Wahrscheinlich würde ich heute die ein oder andere Formulierung ändern, meine Vorstellungen haben sich in den zwei Jahrzehnten jedoch nicht verändert, da ich dieses Gefühl von Geborgenheit durch einen uns liebenden Gott immer wieder spüren und erfahren durfte und ich bin gespannt, wie es mein Sohn mal sehen wird.

Ich für meinen Teil vermittle meinem Sohn – neben meinem Werteverständnis – auch meine Glaubensvorstellungen

  • von einem uns liebenden Gott,
  • von der Vorstellung, dass Gott keine anderen Hände hat als unsere und
  • dass unsere Zeit in seinen Händen liegt.

Indem ich das Gefühl thematisiere (zum Beispiel vor dem Einschlafen ein Gebet sprechen) und erlebbar mache (hören von Liedern, deren Texte Geborgenheit ausstrahlen, ihm bedingungslose Liebe schenken).

Ich akzeptiere selbstverständlich, wenn Mitmenschen (und er) diese Feinabstimmung der Naturkonstanten nicht einem Schöpfer zuschreiben, sondern es mit dem anthropischen Prinzip erklären.[2]


[1] Vgl. Wind, Renate: Befreiung buchstabieren. Basislektüre Bibel. S. 82ff, Kaiser Taschenbücher, Gütersloher Verlagshaus, 1995, Gütersloh

[2] Vgl. ZEIT-Artikel 54/2023 auf Seite 30 „Menschen sind komplizierter als Physik“ von Max Rauner und Ulrich Schnabel


Warum ist das Leben endlich?

Bildnachweis: Fredrik Boberg

Die Frage „Warum ist das Leben endlich“ stellt sich so ziemlich jeder von uns. Oftmals schwingt, selbst bei denjenigen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, dabei ein Stückchen Schwermut mit. Nicht zuletzt, weil auch niemand den Tag seines Ablebens oder seiner Liebsten vorhersagen kann.

„Dass wir überhaupt existieren können, ist ein großer, galaktischer Glücksfall.“ habe ich mal in einem Blinkist im Zusammenhang mit der Entstehung des Universums gehört. In der Aussage schwingt etwas Positives mit, auch wenn ich ihm nicht mehr genau einem Buchtitel zuordnen kann.

Und weil Menschen ein enormes Schadenspotential haben, denke ich manchmal, dass die Begrenzung der Lebensdauer auch als eine Art „Lebensversicherung“ verstanden werden kann: Dass jede Generation eine Chance hat, es besser zu machen als die vorherige.

Was sind für mich wichtige Grunderkenntnisse?

Sofern wir von Schicksalsschlägen („negativen Lottogewinnen“ wie schweren Unfällen o.ä.) verschont bleiben, können wir unser Leben bewahren und verlängern, wenn wir auf unsere geistige und körperliche Gesundheit achten.

Aber irgendwann ist auch bei besten genetischen Voraussetzungen, gesunder Ernährung, Sport und einem mit Liebe erfülltem leben biologisch Schluss (die theoretische Grenze liegen laut Gesundheitsexperten aktuell zwischen 120 und 130 Jahren). Die An­ti-Aging-In­dus­trie arbeitet daran, dass durch Zellverjüngung mittelfristig auch diese Grenze zu kippen.

Irgendwann sind wir alle „Sternenstaub“, aber bis dahin sind wir Menschen – wie in meinem Blogbeitrag Verantwortung beschrieben habe, nach Nida-Rümelin „frei, rational und verantwortlich“.

Was bedeutet das für mich?

Auf dem diesjährigen #Wethefuture Summit habe ich von dem Mentalcoach Jim Kwik einen inspirierenden Satz gehört: „Life is C between B (Birth) and D (Death)“.  Das C steht dabei für Choice. Wir haben zwischen Geburt und Tod eine Menge Wahlmöglichkeiten: Wir können passiv leben und unser Leben von anderen bestimmen lassen oder wir können es aktiv leben, uns entfalten und unser Leben gestalten.

Ich finde die Begrenzung der Lebensdauer hat etwas Fokussierendes. Wenn etwas begrenzt ist, geht man achtsamer damit um. So frage ich mich regelmäßig „Was ist mir wichtig“ und unterstützen meine Tätigkeiten, meine Einstellung dies.

Selbstverständlich habe ich auch „passive“ Tage, das gehört dazu. Die passiven Tage bleiben aber in der Minderheit, wenn ich mich fokussiere und mir selbst vertraue, ganz nach dem Motto, „dem Gehenden baut sich der Weg unter seinen Füßen“.

Denkanstöße für Kinder

Ich habe einmal eine schöne Geschichte gehört, in der das Leben als Zugreise verglichen wurde. Bei den einzelnen Stationen steigen Menschen ein und aus. Der Reisende kann sich seine Mitfahrer nicht aussuchen und er weiß auch nicht, wie lange sie an seiner Seite mitreisen und wie lange er selbst im Zug mitfährt.

Mir gefällt dieses Bild von der Reise des Lebens, weil es Gelassenheit vermittelt und zeigt, was ich beeinflussen kann und was nicht.

Leben ist vergänglich. Niemand weiß, wann die „Reise“ zu Ende ist. Für manche Menschen ist die Reise bereits im Kindesalter zu Ende, das sind besonders traurige Momente. Für manche Menschen ist nach eigener Auffassung die Reise zu spät zu Ende, wenn sie einsam, körperlich und geistig so stark abgebaut haben, von schweren Krankheiten gezeichnet sind.

Im Idealfall ist es für einen selbst der richtige Zeitpunkt und man kann wie Sir Baden-Powell dem Begründer der Pfadfinderbewegung sagen „Ich habe meinen Auftrag erfüllt und bin nach Hause gegangen“.

Ich möchte meinem Sohn dieses Bild von der Reise mitgeben und ihn zum aktiven Leben ermutigen, dass er „Pilot“ und nicht „Passagier“ seines Lebens ist.  

Dazu möchte ich die Kreativität meines Sohnes fördern, denn ich halte sie für ist mindestens genauso wichtig, wie eine positive Grundeinstellung. Denn kreative Menschen finden Lösungen, wo andere nur Probleme sehen.

Leidenschaft

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Heute möchte ich mich der Leidenschaft widmen, da ich immer wieder mitbekomme, wie Mitmenschen die Flinte vorschnell ins Korn werfen, weil sie der Ansicht sind, dass ihre aktuelle Tätigkeit keine „Berufung“ ist. Genauso kenne ich Menschen, die in die innerlich „gekündigt“ haben und in ihrem Job nur noch „anwesend“ sind und die Gründe für den Zustand dabei ausschließlich bei anderen suchen.

Ist Leidenschaft ein Dauerzustand und verspürt man Leidenschaft nur in einem einzigen Bereich? Ich glaube nicht.

Wann spüre ich Leidenschaft?

Wenn ich mit hoher Intensivität bei der Sache bin. Wenn es mir Freude bereitet etwas zu tun, weil ich daran hohes Interesse habe, ich idealerweise auch noch gut daran bin. Wenn ich einen Mehrwert sehe, weil es mir das Thema wichtig ist, weil es Sinn macht…

Wenn ich mit mir eins bin, wenn ich im Flow bin.

Ich erinnere mich gerne an das Beispiel des Pike Place Fischmarkts in Seattle: Die Fischhändler hatten für sich beschlossen, ihren Kunden ein einzigartiges Kauferlebnis zu bescheren und jeder Besucher spürt, mit wie viel Freude sie ihre Arbeit verrichten. Über ihre vier Handlungsmaximen[i]

  • Wähle deine Einstellung („… als jemand, der weltberühmt ist, wirst du ganz anders auftreten“)
  • Spiele (Wie können wir mehr Spaß haben und Energie tanken?)
  • Bereite anderen Freude (Wer sind unsere Kunden und wie können wir ihnen einen schönen Tag bereiten? Wie können wir uns gegenseitig einen schönen Tag bereiten?) und
  • sei Präsent (die Fischhändler sind mit ganzem Herzen und ihrer ganzen Aufmerksamkeit bei der Arbeit)

wurden sogar der Managementbestseller Fish! geschrieben.

An dem Beispiel sieht man, dass es völlig egal ist, welche Tätigkeit man ausübt, man kann für sich selbst entscheiden, wie man die Tätigkeit ausübt und was man dabei empfinden möchte (die Fischhändler wollten Spaß bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haben).

Analog beschreibt die Berufsberatung matchrs auf ihrer Homepage eindrucksvoll vier Stufen, wie man von Interesse zu Leidenschaft kommt und dass dazwischen ein langer Weg liegt und Ausdauer lohnt. Nicht einmal das Interesse muss dabei fest im Menschen verankert sein, wie Forschungsarbeiten zeigen.

Wo liegen für mich die Herausforderungen und wie gehe ich damit um?

Meine größte Herausforderung ist, dass ich – neben meiner Familie – mehrere Interessen habe, denen ich mich gerne leidenschaftlich widmen möchte.

Ich habe ein Faible für Immobilien, seit ich als kleiner Junge mit meiner Familie Onkel & Tante in Chicago besucht habe und ich vom Sears Tower – dem damals höchsten Gebäude der Erde – das unter mir liegende Hochhausmeer erblicken durfte.

Außerdem habe ich ein Faible für gelungenes Miteinander, seit ich bei den Pfadfinderinnen und Pfadfindern miterlebt habe, was man mit Teamarbeit alles gemeinsam erreichen kann, wovon der einzelne nur träumen vermag.

Es schlagen also (mindestens) zwei Herzen in meiner Brust, die ich im Beruf immer wieder zu vereinen versuche, so auch aktuell als Erster Bürgermeister meiner Heimatstadt Weinheim. Hier funktioniert es besonders gut, aber auch in meinen früheren Tätigkeiten habe ich die soziale Leidenschaft mit der technischen kombiniert.

Daneben denke ich leidenschaftlich über Gott und die Welt nach, daher u.a. dieser Blog😉

Viele von uns haben mehrere Leidenschaften, was es bisweilen herausfordernder macht, genug Zeit für sie zu haben. Mich selbst aber nur auf eine Leidenschaft zu fokussieren, würde mich nicht glücklich machen.

Fazit: Ich glaube, dass Leidenschaft kein Leiden schaff, sondern Erfüllung schenkt😉, aber wir aufgefordert sind, die passende Balance zwischen den Interessen zu suchen.

Denkanstöße für Kinder

Während ich als Kind am liebsten Hochhäuser gebaut und gemalt habe, baut und malt mein Sohn am liebsten Flugzeuge und Schiffe und träumt von einem Beruf als Pilot oder Flugzeugbauer. Diese Interessen versuchen wir zu fördern, sei es durch Besuche im Technikmuseum, am Flughafen oder am Wasser, damit daraus Leidenschaften entstehen können.

Uns ist egal, ob unser Sohn eine Ausbildung macht oder studiert, Hauptsache er findet seine Leidenschaft(en), dabei möchten wir ihn unterstützen.

Wir fördern seine Autonomie bei der Verfolgung seiner Interessen und zeigen ihm gleichzeitig auch Orte, wo er Begeisterung bei Mitmenschen spürt, die ihre Interessen mit Leidenschaft verfolgen. Wenn der Funke überspringt, entstehen daraus für ihn neue Interessen.


[i] Fish! Stephen C. Lundin, Harry Paul und Hohn Christensen (2003, 15. Auflage) Mosaik bei Goldmann

Was ist Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit bedeutet für mich so zu leben, dass mein Lebensstil weder meinem Sohn noch seinen Kindern schadet, ganz gleich auf welchem Kontinent und Ort sie leben werden und wie sein/ihr Einkommen einmal sein wird. Nachhaltigkeit ist daher für mich eng mit dem im Vormonat erläutertem Begriff der Verantwortung verknüpft.

Nachhaltigkeit ist keine neue Erfindung, sondern eine Wiederentdeckung, bewehrter Prinzipien seit Jahrtausenden.

Nachhaltigkeit ist einerseits komplex (wenn ich beispielsweise an die Lieferkette meiner Schreibtischlampe denke) und mehrdimensional (üblicherweise spricht man von den drei Perspektiven Ökologie, Ökonomie und Sozialem), andererseits ermöglicht dies zugleich viele Optionen nachhaltig zu handeln.

Tatsache ist, dass kumuliert unser Lebensstil in Deutschland nicht nachhaltig ist, da wir ressourcenmäßig aktuell 2,9 Erden verbrauchen. [i]

Ziele für nachhaltige Entwicklung

Die UN hat die Komplexität in 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung heruntergebrochen. Von der Bekämpfung der Armut bis zur Förderung von Frieden, Gerechtigkeit und starken Institutionen. Alle Ziele findest Du hier bspw. auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.

Wie ich schon in meinem Januar-Blog zur globalen Balance geschrieben habe, bin ich fest davon überzeugt, dass wir das Gesicht der Welt in dieser Dekade verändern, wenn sich jeder bei drei Zielen miteinbringt, die seinen Stärken, entsprechen. Ich habe mir folgende drei Ziele prioritär vorgenommen:

  1. Als Bauingenieur und Immobilienökonom ist mir beruflich das Ziel 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ eine Herzensangelegenheit und ich arbeite täglich an dessen Umsetzung. Schon jetzt kann ich meinem Sohn erklären, dass fußläufige Städte/Stadtteile und ausgebaute Radwege sinnvoll sind, da er gerne mit dem Fahrrad fährt.
  2. Auch das Ziel 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ ist mir sehr wichtig.  Gegenüber meiner Familie, meinen Kolleginnen und Kollegen und auch mir selbst. Ich erkläre meinem Sohn, wo die Lebensmittel herkommen, fördere seine sportlichen Neigungen und bin hinsichtlich seines Wohlbefindens aufmerksam.
  3. Das Ziel 15 „Leben an Land“ ist mir seit frühster Kindheit ein Begriff, wo wir als Pfadfinder regelmäßig Waldsäuberungsaktionen durchführten, es aber stets erschreckend und beeindruckend zugleich, wie viel Müll wir aus dem Wald holten. Ich erkläre meinem Sohn, dass die Ressourcen endlich sind, gehe mit ihm viel in die Natur und vermittele ihm, mit dieser achtsam umzugehen.

Ich versuche nach bestem Wissen und Gewissen auch die anderen Ziele zu verfolgen oder auch unabhängig dieser UN-Ziele entsprechend meiner eingangs dargelegten Definition zu leben.

Ich bin dankbar für diese Orientierung gleichwohl es ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess ist, denn natürlich gibt es viele Situationen, wo ich dieser Verantwortung noch nicht gerecht werde. Ich hüte mich vor Perfektionismuswahn und freue mich an den vielen kleinen Schritten, in die richtige Richtung und dass sich sehr viele Menschen global auf den Weg gemacht haben.

Zum gegenseitigen Mut machen und um den Dialog zu fördern, habe ich mir als kleines Zeichen einen entsprechenden Aufkleber auf den Briefkasten geklebt und ebenso als Hintergrund für mein LinkedIn-Profil gewählt😉

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[i] Siehe beispielsweise Tagessschaubericht zum aktuellen UN-Report: https://www.tagesschau.de/ausland/unicef-ressourcen-verbrauch-101.html#:~:text=In%20Deutschland%20ist%20der%20Ressourcenverbrauch,eine%20gesunde%20Umgebung%20zu%20bieten.

Was ist Verantwortung?

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Heute möchte ich über Verantwortung schreiben. Ein Begriff „der in unserem Alltagsleben, aber auch im Recht, in der Ökonomie und in der Politik eine zentrale Rolle spielt“[1].

Wie lässt sich der Begriff einfach und strukturiert erschließen?

Beispielsweise, in dem man Fragen stellt: Wie lässt sich Verantwortung beschreiben und definieren? Was sind Voraussetzungen zu ihrer Wahrnehmung? Wer ist Träger der Verantwortung? Wofür trägt man Verantwortung? (Also die Frage nach Umfang und Inhalt der Verantwortung.) Gegenüber wem hat man sich dabei zu rechtfertigen? …

Ich bemühe mich um möglichst kurze Antworten basierend auf der Lektüre verschiedener Texte zum Thema Verantwortung im Rahmen meines PPW-Studiums (insbesondere von Nida-Rümelin, Hans Jonas und Schönherr-Mann) und meiner beruflichen Erfahrung:

  • Beschreibung/Begriffsdefinition: Ich übernehme bewusst Verantwortung, wenn ich für meine Handlungen Gründe anführen kann.
  • Voraussetzung: Rationalität, Freiheit und die Fähigkeit Gründe abzuwägen[2].
  • Träger: „autonomes“ Individuum => also Du und ich😉
  • Wofür: Für die Beziehungen zu seinen Mitmenschen und seiner Umwelt? Für die Erziehung seiner Kinder? Für globalen Frieden oder das Erreichen des 1,5 Grad Ziels? Für seine Ernährung, für seinen Konsum? Für die beruflichen Aufgaben? => Ganz allgemein lässt sich zwischen sachlichem und örtlichem Umfang der Verantwortung unterscheiden: Der sachliche Umfang schließt Handlungen, Überzeugungen und Einstellungen mit ein, der örtliche Umfang im weitesten Sinne das „Raumschiff Erde“[3]
  • Inhalt: Pflichten und Übernahme des latenten Risikos einer Pflichtverletzung und eines Verschuldens.
  • Gegenüber wem rechtfertigt man sich? Sich selbst, seiner Familie, seinen Mitmenschen, seiner Umwelt, seinem Glauben seinem Gewissen? => Hier gibt es eine Pluralität an Möglichkeiten.

Die wichtigste Frage lautet:  Wie werde ich meiner Verantwortung gerecht und was sind geeignete Maßnahmen/Handlungsmaxime zur Zielerreichung? Doch zunächst noch weitere Fragen:

Wo spüre ich „am eigenen Leib“ Verantwortung?

  • Als Vater, wenn ich mir Gedanken mache, was passieren könnte, wenn mein Sechsjähriger beim Klettern auf dem Bett abrutscht und ich deshalb bemüht bin, möglichst alle spitzen Gegenstände aus dem potentiellen Fallradius zu räumen. …
  • Als Ingenieur, wenn ich mir überlege welche Gefahren von den Gebäuden, die ich betreue, für ihre Nutzer und die Allgemeinheit resultieren können. …
  • Als Bürger, indem ich zur Wahl gehe und mich für meine Stadt engagiere (durch ehrenamtliches Engagement etc.) …

Wo liegen für mich die Herausforderungen und wie gehe ich damit um?

Mit der Globalisierung – im Sinne des Verschwindens räumlicher und zeitlicher Grenzen – wird nicht nur der menschliche Lebensraum zunehmend entgrenzt[4], sondern auch die Verantwortung.

Die philosophischen Erkenntnisse legen nahe, dass ich als Individuum – trotz gewisser Einschränkungen – auch globale Verantwortung trage.

„Wer sein Leben von anderen prägen lässt, bleibt trotzdem verantwortlich, obwohl er seine Freiheit bzw. Gestaltungskraft verschenkt.“ [(Schönherr-Mann 2010), S. 53]

Die Wahl der Handlungsgrundsätze bleibt jedem selbst überlassen. Das weltweite Eintreten für die Menschenrechte und Achtung der Menschenwürde können beispielsweise einfache Handlungsgrundsätze sein.

Ich orientiere mich ferner gerne an Stieglitz „global denken und lokal handeln“ [vgl. (Stiglitz 2006), S. 22] und Nida-Rümelin: „Zum Wohltun bin ich nicht verpflichtet, ich bin aber verpflichtet, niemanden zu schädigen.“ [(Nida-Rümelin 2011), S. 115] und versuche diese Orientierung auch meinem Sohn zu vermitteln.


[1] Nida-Rümelin, J. (2011). Verantwortung. Stuttgart, Reclam, S. 11

[2] Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011). Verantwortung. Stuttgart, Reclam, S. 8 „Als Wesen … sind wir rational, frei und verantwortlich.“ Anmerkung: Die Verantwortungszuschreibung beruht folglich auf Annahmen – einem Mindestmaß an Entscheidungsfreiheit und Rationalität – die durch die genetische Anlagen, Erfahrung und Erziehung – im nicht eindeutig quantifizierbaren Maße beeinflusst werden. [Vgl. Myers, D. (2005). Psychologie. Heidelberg, Springer Medizin. S. 104 und Precht, R. D. (2008). Wer bin ich und wenn ja, wie viele? München, Goldmann. S. 323]

[3] Schönherr-Mann, H.-M. (2010). Die Macht der Verantwortung. Freiburg / München, Karl Alber. S. 19

[4] vgl. Klein, E. (2/2005). „Menschenrechte im Spiegel der Globalisierung.“ MRM – MenschenRechtsMagazin: 125-135. S. 125

Deep-Dive: Globale Balance

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Ergänzend zu meinen beiden Blogbeiträgen über Werte im September 2022, möchte ich heute vertiefend auf globale Balance eingehen.

Balance ist mir persönlich ein wichtiger Wert – sowohl auf globaler Ebene, (Stichwort „Ressourcenverbrauch“) – wie auch auf individueller Ebene (Stichwort „Life-Balance“) der mehr Beachtung verdient.

Da ich Balance bereits in einem dieser Beiträge definiert habe, wiederhole ich dies an dieser Stelle nicht, sondern verweise auf den entsprechenden Wertebeispiel-Blog-Beitrag.

Zuerst möchte ich Euch heute berichten, wo ich Balance zum ersten Mal erlebt und gespürt habe, dann gehe ich auf ihre Bedeutung ein und schließe diesen Blog-Beitrag mit Gedanken zur persönlichen Umsetzung und Vermittlung an den Nachwuchs. Der Fokus in diesem Beitrag liegt dabei auf der globalen Perspektive. Los geht’s😉

1. Wo habe ich Balance zum ersten Mal persönlich erlebt/gespürt?

In meiner Kindheit und Jugend bei den Pfadfindern.

Pfadfinder bedeutet alles außer Alltag: Hier wird gesungen, gespielt, gebastelt, gekocht… eine Vielzahl an Aktivitäten und Themen, einfach ausprobiert und gemacht, jeder wie er kann.

Und dabei wachsen, als Gruppe, als Individuum, vor allem gegenseitig, weil man voneinander lernt.

Mädchen & Jungs, Spiel & Spaß, Drinnen & Draußen, Geben & Nehmen

Ich wusste damals nicht, was Balance bedeutet, es fühlte sich nur einfach gut & richtig – in meinen damaligen Worten „schön“ an.

Als Kind habe ich mich immer über den schwedischen König Carl Gustav, einem bekennenden Pfadfinder gewundert, warum er sich als Erwachsener mit den Pfadfindern – in meinen Worten Pfadis – identifiziert, ist doch etwas in meiner damaligen Gedankenwelt Exklusives für Kinder und wenn man erwachsen ist, hört man damit auf, weil dann andere dran sind…

Das Große ganze, die Tragweite – zusammengefasst im Pfadfinderversprechen, u.a.

  • Festhalten an geistlichen Grundsätzen (bei mir an christlichen Grundsätzen, also der Ehre ggü. Gott, da ich beim Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder, kurz VCP, Mitglied war);
  • Ehre ggü. seinen Mitmenschen: Ehrfurcht vor der Würde des Menschen, Eintreten für Frieden, Schutz der Umwelt etc.
  • Ehre ggü. sich selbst: Verantwortlich für meine eigene Weiterentwicklung, Entfaltung meiner Persönlichkeit etc.

war mir damals nicht bewusst, ich spürte nur, dass es sich gut anfühlte und Spaß machte.

2. Wo liegen unsere Herausforderungen?

Diese intakte, weil spürbar stimmige Welt aus erfahrbaren und gelebten Werten vermisse ich im Alltag. Einerseits nicht verwunderlich, könnte man argumentieren, da in unserer pluralistisch, freiheitlichen Gesellschaft Wertepluarlität/-neutralität herrschen soll. (Wobei die mir bei den Pfadfindern vermittelten Werte, wie Ehrfurcht vor der Würde des Menschen, deckungsgleich zu den Menschenrechten und -pflichten sind, die ja die Grundlage unserer globalen Gemeinschaft bilden sollen.)

Andererseits fällt mir an vielen Stellen die Diskrepanz aus kommunizierten und gelebten Werten auf.

  • In der Politik (nicht mal das europäische Parlament scheint aktuell immun ggü. Korruption zu sein),
  • in zahlreichen Organisationen und Unternehmen (in denen Mitarbeiter-, Unternehmens- und Eigentümerorientierung entgegen anderslautenden Pressemitteilungen nicht ausbalanciert sind), aber auch
  • im Privaten (in denen Gleichberechtigung in der Beziehung entgegen gegenseitigen Versprechungen nur Lippenbekenntnisse sind).

Die Welt im Jahr 2023 ist nicht in Balance.

Wir leben in einer Welt in dem Vermögen sehr ungleich verteilt ist (das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt fast die Hälfte des Vermögens[i]), in der sehr viel Gewalt herrscht,[ii]  und die Natur sehr stark verschmutzt und ausgebeutet ist[iii] und nur eine Minderheit der Menschheit lebt in Sicherheit vor physischer und psychischer Gewalt, in einer intakten Natur und finanziell gesicherter Existenz.

3. An einer Welt in Balance mitbauen!

Nur weil ich mit 46 Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach schon die Hälfte meines Lebens gelebt habe und nicht alles in Punkto nachhaltigem Leben richtig mache, habe ich den Glauben an eine bessere Welt – für mich eine Welt in Gerechtigkeit und Balance – nicht verloren.

Das Pfadfinderversprechen mag an mein Gewissen appellieren, aber die gelernten Methoden sind es, die mir helfen – und uns helfen können – an einer Welt in Gerechtigkeit und Balance mitzubauen. Denn wir haben weniger ein Erkenntnis- als ein Umsetzungsproblem.

Sinnvolle Methoden, die uns helfen – und die ich meinem Sohn vermitteln möchte – sind beispielsweise

  • Learning by doing: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, etwas Neues lernt man am besten, indem man es ausprobiert! Ich möchte meinem Sohn die Lust am Lebenslangen Lernen vermitteln und seine Neugierde fördern, ihm dabei die Angst vor Perfektionismus nehmen… und mache mich selbst auf den Weg nachhaltiger zu leben, bin mir bewusst, dass es ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess ist („Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, dann werden sie das Gesicht der Welt verändern.“[iv]
  • Look at the boy – Berücksichtigung von Alter und Können, um Unter-/Überforderung zu vermeiden sich nicht stressen lassen, das führe ich mir immer wieder vor Augen, wenn ich meinem Sohn etwas erkläre/zeige/gebe.
  • Naturverbundenes Leben – Auf Fahrt und Lager wird durch Einfachheit und Sparsamkeit ein bewusster Verzicht auf Komfort und Annehmlichkeit geübt in Anlehnung an „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier“ Mahatma Gandhi. Das meinem Sohn zu vermitteln und vorzuleben ist alles andere als einfach, zumal wir in der Stadt wohnen. Am einfachsten war es mit ihm mal zwei Tage ein Pfadfinderlager zu besuchen, ohne warme Dusche und mit den Gegenständen, die in den Rucksack gepasst haben

Ich selbst orientiere mich an den 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (die sogenannten SDGs), da deren Erreichung zu meiner Idealvorstellung einer Welt in Gerechtigkeit (für mich gleichzusetzen mit der universellen Beachtung der Menschenrechte/-plichten) und Balance beiträgt.

Denn ich bin fest davon überzeugt, dass wenn sich jeder auf drei SDGs konzentriert (entsprechend der individuellen Stärken), es uns in dieser Dekade gelingen kann, einen wesentlichen Beitrag zu einer Welt in „Gerechtigkeit und Balance“ zu leisten und noch das 1,5Grad Ziel zu erreichen.

Im nächsten Blog-Beitrag möchte ich auf den Begriff „Verantwortung“ eingehen, lasst Euch überraschen.


[i]Einfache Darstellung dazu:  https://www.watson.ch/wissen/international/363235420-so-wuerde-die-welt-mit-100-einwohnern-aussehen

[ii] Eindrucksvoller TED-Talk dazu: https://www.ted.com/talks/gary_haugen_the_hidden_reason_for_poverty_the_world_needs_to_address_now

[iii] Siehe beispielsweise Tagesschau Bericht zum aktuellen UN-Report: https://www.tagesschau.de/ausland/unicef-ressourcen-verbrauch-101.html#:~:text=In%20Deutschland%20ist%20der%20Ressourcenverbrauch,eine%20gesunde%20Umgebung%20zu%20bieten.

[iv] https://www.globalmarshallplan.org/wenn-viele-kleine-leute-an-vielen-kleinen-orten-viele-kleine-schritte-tun-dann-werden-sie-das-gesicht-der-welt-veraendern/

Was ist gelingendes Leben?

Bildnachweis: iStock.com/swissmediavision

Ein Leben, in dem ich mich wertvoll fühle – und sich jeder andere wertvoll fühlen kann.  

Viele Situationen ermöglichen dies. Der ukrainische Soldat empfindet dieses Gefühl bei der Landesverteidigung genauso, wie der deutsche Chirurg, der aus der Ukraine ausgeflogene schwer verletzte Soldaten bei der Versorgung ihrer Wunden hilft. Oftmals können wir uns die Situationen nicht aussuchen, für die meisten Ukrainer war der Krieg unendlich weit weg und die jungen Männer – darunter viele Väter – hatten ganz andere Tätigkeiten, in denen sie sich wertvoll fühlen konnten.

Ich bin dankbar, mich außerhalb solcher Extremsituationen wertvoll fühlen zu dürfen. Meine Herausforderung besteht eher darin, die richtige Balance zwischen und innerhalb der einzelnen Rollen (als Berufstätiger, als Vater, als Bürger…) zu finden.

Gute Orientierung dabei bietet mir dabei die „Theorie des Wohlbefindens“ von Martin Seligman, dem Begründer der positiven Psychologie. Ziel eines gelingenden Lebens wäre demnach zunehmendes Aufblühen durch die Verstärkung von positiven Gefühlen, Engagement, Sinn, positiven Beziehungen und Erfolg. Denn diese fünf Elemente sind für das individuelle Wohlbefinden maßgeblich.

Und wie macht man das? Für Martin Seligman am einfachsten, indem man seine Stärken kennt (bspw. durch den Stärkenfinder seines Instituts an der University of Pennsylvania) und diese bewusst nutzt. Zum Vertiefen empfehle ich Seligmans Buch „Wie wir Aufblühen – Die fünf Säulen des persönlichen Wohlbefindens“.

Wie wichtig Freunde für das persönliche Wohlempfinden sind, erlebe ich eindrucksvoll durch die Antworten meines Sohns: Unvergesslich seine Worte 2021 als Vierjähriger auf unsere Frage, welcher Urlaub ihm im letzten Jahr am besten gefallen hat „Die Schiffsreise, denn da hatte ich einen Freund.“  Wer einen eindrucksvollen Beleg für die Bedeutung positiver Beziehungen/Freundschaften sucht, dem empfehle ich den Ted Talk von Robert Waldinger über seine Forschungsergebnisse.

Was ist gutes Leben?

Für Aristoteles besteht das gute Leben in der Wahl einer geeigneten Lebensform, in der Entwicklung von Tugenden, die das beste Verhalten in bestimmten Situationstypen ermöglichen und in den Tugenden entsprechenden konkreten Handlungen[1].

Aristoteles unterscheidet dabei vier Formen des Lebensvollzugs

  1. das hedonistische (=lustbestimmte) Leben

  2. das profitorientierte Leben

  3. das politisch-praktische Leben

  4. das theoretische oder philosophische Leben

Wobei für ihn nur 3 und 4 ein gutes Leben möglich machen und zu einem glücklichen Leben führen, da für ihn Glück im guten Leben besteht.

Seine Lehre steht im Einklang mit den Erkenntnissen der positiven Psychologie[2], dass ein tugendhaftes Leben nach den persönlichen Stärken zu Wohlbefinden führt.

Deshalb versuche ich meinem Sohn bereits in seinen jungen Jahren auf seine Talente aufmerksam zu machen, damit er sie zu Stärken entwickeln kann. Ich werde im nächsten Blogbeitrag noch detaillierter auf Erkenntnisse der positiven Psychologie und auf Umsetzungsstrategien zum „guten Leben“ eingehen und möchte in diesem bei der Meta-Ebene bleiben.

Gutes Leben bedeutet für mich das Mitbauen an einer Welt in Gerechtigkeit und Balance (für mich zwei wichtige Werte), denn „gutes Leben“ ist ein kontinuierlicher Prozess. Mir gefällt in diesem Zusammenhang besonders die Zeilen von Erich Kästner „Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es.“

Leben ist alles außer Stillstand. Jeder kennt es von seinen eigenen vier Wänden, alles muss gewartet und instandgehalten werden.


[1] Danke an Frau Prof. Dr. Verena Mayer, die mir dies i.R. meines PPW-Studiums an der LMU in der Vorlesung „Einführung in die Ethik“ vermittelt hat.

[2] Authentic-Happiness-Theory und die darauf basierende Weiterentwicklung zur „Well-Being-Theory“ von Martin Seligmann, dem Begründer der positiven Psychologie.

Bildquelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Aristotle